"A journalist who is also a bad programmer, stylized in the style of Gary Larson"

Wahr oder falsch? Auf der Jagd nach #blockupy Fakes. 

Bei manchen angeblichen Frankfurt-Bildern von heute darf man schon skeptisch sein:

Klar: nicht alles, was heute rund um die Proteste in Frankfurt getwittert und gepostet wurde, war echt. Und auch mir ist heute bei der Mitarbeit an unserem Liveticker an einer Stelle ein nicht authentisches Bild durchgerutscht. Wir haben das bald bemerkt – aber jetzt mal zum Mitraten: welche der folgenden Bilder sind nicht, was sie zu sein vorgeben? Und wie bemerkt man ein Fake?

Level 1: Der Provo-Troll

Frankfurt, 18. MĂ€rz 2015, am frĂŒhen Nachmittag. Die Bilder der brennenden Polizeiautos dominieren die TwittersphĂ€re; selbst die Aluhelmfraktion von „Russia Today“ findet nicht wirklich etwas anderes. Und dann dieser Tweet: Ein Polizist schlĂ€gt zu. Verbunden mit den Reizwörtern „erfreulich“, „Lucky Punch“ und dem Rechtsradikalen-Ausdruck „Zecken“.

Polizist schlÀgt linksalternativen Demonstranten
Der erwĂ€hnte Tweet ist inzwischen gelöscht – dies ist das retweetete Foto

https://twitter.com/thiutisk/status/578189601799565312

Genau diese ÜberfĂŒlle an Auslösern macht misstrauisch: Die erste Quellencheck-Frage nach dem Content lĂ€sst auf diese Reizwörter aufmerksam werden. Also eine kurze PrĂŒfung: woher kommt dieses Bild?

FĂŒr diese Frage gibt es die Bilder-Quellensuche TinEye, die man sich am besten als Browser-Plugin auf den Arbeitsplatzrechner installiert. Die Suche fĂŒhrt schnell zu frĂŒheren Vorkommnissen: Das Bild stammt nicht aus dem heutigen Frankfurt und nicht von einer Webcam, sondern wurde von einem dpa-Fotografen am Rand einer Neonazi-Demo 2012 in Hamburg aufgenommen.

Level 2: Der rĂŒhrende Moment

Okay, da hat wohl jemand versucht, unsere roten Knöpfe zu drĂŒcken, aber was ist mit diesem symbolisch aufgeladenen Augenblick?

Auch bei diesem Bild zeigt sich schnell, dass die Story nicht stimmt: TinEye kann das Foto schon 2012 nachweisen – ein Bild der Nachrichtenagentur Reuters aus diesem Jahr. Immerhin tatsĂ€chlich bei Blockupy entstanden.

Den beiden Bildern ist gemein, dass sie eigentlich zu gut sind fĂŒr zufĂ€llige (Handy-) SchnappschĂŒsse. Übrigens fiel auch das eingangs erwĂ€hnte Fake in diese Kategorie; ein Nutzer hatte ĂŒber das Kommentarfeld ein altes Agenturfoto hochgeladen. Zugegeben: Starke Bilder mit großer Symbolkraft mĂŒssen nicht aus den Archiven professioneller BildhĂ€ndler stammen, aber der Verdacht verdient eine ÜberprĂŒfung.

Level 3: Die Frankfurt-Apokalypse

Frankfurt verschwindet im Qualm?!?

https://twitter.com/hriday_/status/578223039839625216

Die Frage nach Photoshop ist berechtigt. Bei diesen Bildern musste ich sofort an das berĂŒchtigte Reuters-Fake von Rauchschwaden ĂŒber Beirut denken – und wer an diesem Morgen in Frankfurt war, hatte zwar die Rauchschwaden gesehen, so apokalyptisch wie auf diesen Fotos wirkten sie aber eigentlich nicht.

https://twitter.com/andreasschepers/status/578248748649828353

Die TinEye-Suche fand keine Ă€lteren Kopien des Fotos – was dafĂŒr spricht, dass es aktuell sein könnte – bestĂ€tigte aber, dass es Bilder aus genau identischer Kameraperspektive an anderen Tagen gibt. Eine ergĂ€nzende Google-Bildersuche fand das erste Vorkommen des Bildes bei Twitter:

Quelle: eine FAZ-Journalistin. Die sich ĂŒbrigens in den Antworten recht bald dem Vorwurf ausgesetzt sah, es handele sich um ein manipuliertes Foto – und mit einem Hinweis auf die Quelle antwortete: eine Webcam auf dem Main Plaza dribbdebach. Deren Fotos ließen sich zurĂŒckblĂ€ttern…

Screenshot mainhattan-webcam.de am 18.3. 8.00h
Screenshot mainhattan-webcam.de vom 18.3. um 8.00 Uhr. Die Kamera ist ein Dienst der Hi.Res.Cam GmbH in Weinheim, bei der man ĂŒber den FĂ€lschungs-Verdacht sehr belustigt ist.

 

…und das Ausgangsbild war tatsĂ€chlich unter 8 Uhr im Archiv abgelegt. Selbst die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um eine Manipulation des Bildes auf dem Server handelt, kann man mindern:

www.henninger-turm-webcam.de der Hi.Res.Cam GmbH, 18.3., 8 Uhr

Die gleiche Szene von einer Webcam etwa einen Kilometer sĂŒdlich zur gleichen Zeit. Wie man sieht, entsteht die Dramatik des Bildes dadurch, dass die Rauchschwaden genau ĂŒber den Hotelturm mit der Webcam hinweg ziehen.

Das Urteil: Erstaunlicherweise echt.

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Kommentare

4 Antworten zu „Wahr oder falsch? Auf der Jagd nach #blockupy Fakes. “

  1. civichief

    Die Echtheit der Rauchschwaden kann ich bestĂ€tigen. Dass es so dramatisch aussieht „aus der NĂ€he“ ĂŒberrascht mich. Man konnte die dichte Rauchwolke so gegen 08:00 Uhr sehr gut am Frankfurter Himmel NĂ€he EZB/MainPlaza sehen.

  2. Ich habe die Stadtansicht mit Rauch sofort fĂŒr echt gehalten. Ich konnte die Rauchwolke um ungefĂ€hr die Uhrzeit auch sehen – in etwa aus der entgegengesetzten Richtung. Was mich Ă€rgert, ist der suggerierte Eindruck: das Bankenviertel in Rauch gehĂŒllt. TatsĂ€chlich waren sowohl die Quelle des Rauchs als auch der Rauch selbst kilometerweit vom Bankenviertel entfernt. Ich hatte um die Uhrzeit beides von meiner Wohnung aus sehr schön im Blick. Und wenn man sich das Bild etwas mehr als oberflĂ€chlich anschaut, kann man dem Bild die rĂ€umliche Distanz der beiden Ereignisse auch ansehen.

  3. Noch ein paar ErgĂ€nzungen: Auch wenn der Post sich so liest, als kĂ€me alles raus: Fakes aufdecken ist oft GlĂŒckssache. Wenn jemand wirklich Geld, Energie und Kompetenz in eine gute FĂ€lschung steckt, ist ihr kaum zu entkommen – das zeigt #varoufake (oder #varoufakefake?) deutlich. Letzten Endes geht es also darum, Misstrauen als Reflex zu schulen – und sich einen Umgang mit den letztlich unvermeidlichen Fehlern zuzulegen. Denn das Empörungspotential ist auch bei vermeintlich lĂ€sslichen SĂŒnden groß.

    Ein paar ErgÀnzungen:

  4. […] Wahr oder falsch? Auf der Jagd nach #blockupy Fakes. /eggers elektronik […]

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