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Prinzip Hoffnung: Weshalb wir uns mit Google+ herumschlagen

Google Plus - von xkcd.com
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Die Idee, Google mit einem Bild von mir zu füttern und nach aus Maschinensicht ähnlichen Bildern zu suchen, war nicht nur albern. Die Suche ergab einen durchaus sehr relevanten Treffer: Google erkennt, dass das Bild so auf der Profil-Seite meines Blogs zu finden ist. Dieses Blog ordnet es meinem Google-Profil zu, und damit sind meine öffentlichen Google+-Posts nur einen Klick weit entfernt. Und darin steckt der gewichtigste Grund, weshalb wir kleinen Medien-Machiavellis wir uns überhaupt mit Google+ beschäftigen.

Google+ ist Googles vorletzte Hoffnung, den Anschluss an die soziale Echtzeit-Suche nicht zu verlieren – nachdem die Kooperation mit Twitter nicht von Dauer war und Facebook eng mit dem Suchmaschinen-Konkurrenten Microsoft verbandelt ist, ist das eigene Netzwerk der beste Zugang zu den Posts und damit zu den Gedanken von Millionen Nutzern ohne Zeit- und Reibungsverlust. „Google wird Google Plus“ – so bringt es der deutsche PR-Chef des Suchmaschinenriesen auf den Punkt. Und diese Einsicht führt wiederum zu der Vermutung, eine Präsenz auf Google+ müsste sich doch irgendwie positiv auf die Suchergebnisse auswirken und damit auf den Traffic – die Google+-Seite als einfache Form der Suchmaschinenoptimierung. Sonst wäre Google+ wirklich längst die Social-Media-Geisterstadt, über die das Wall Street Journal Anfang des Jahres gehämt hat. Oder: ist es das nicht längst?

Seiten bei Google+ und Facebook: Eine nüchterne Nutzungsbilanz

Seien wir fair: Google+ ist noch kein Jahr alt. Google verweist zu Recht darauf, dass die Zwischenbilanz für ein erst wenige Monate altes Projekt eindrucksvoll ist. Außerdem widersprechen Google-Mitarbeiter dem „Geisterstadt“-Tenor. Nein, G+ wachse weiter stetig und sehe selbst im Vergleich mit den 850 Millionen Facebook-Nutzern gar nicht so schlecht aus: Die-Google-Leute sprechen von weltweit 100 Millionen aktive Nutzer, geben aber auf Nachfrage zu, dass das jeden umfasst, der im Lauf eines Monats mal versehentlich auf einen +1-Knopf geklickt hat. (Geschenkt: Macht Facebook auch nicht anders.)

Facebook also noch rund 8- bis 9-mal so groß wie Google – schön wär’s. Aus Sicht eines Seitenbetreibers sieht die Bilanz dürrer aus. Ein Blick auf unsere derzeit aktiven Google+-Seiten zeigt mir, dass nur eine dieser Seiten mehr als ein Zehntel soviel Google-Fans hat wie Facebook-Fans – das ist eine der kleineren und irritierenderweise die, die in den vergangenen 30 Tagen nur einmal auf Google+ gepostet hat. Ansonsten gibt es, kaum überraschend, eine Korrelation zwischen der Anzahl auf Posts auf G+ und der Anzahl der Freunde – was ja immerhin schon mal erfreulich ist; es zeigt, dass mehr Erfolg hat, wer seine Nutzer liebt. Aber selbst die Redaktion, die G+ am regelmäßigsten bedient – und knapp halb so oft postet wie bei Facebook – erreicht damit dort nur ungefähr ein Fünfzehntel an digitalen Abonnenten.

Besonders der Blick in die Referrer-Statistik ernüchtert. Während Facebook für die Webseiten der besagten Redaktionen längst die wichtigste Traffic-Quelle nach der Suche geworden ist und den Webangeboten vier- bis fünfstellige Visit-Zuwächse im Monat einbringt, verzeichnet die Serverstatistik bestenfalls eine (niedrig) dreistellige Zahl an Visits über Google (ohne Google-Suche, natürlich). Das ließ mich zunächst glauben, ich hätte die Statistik falsch verstanden, aber ein einfacher Test bestätigt die Tendenz: Diese Seite wird ständig aktualisiert und wird daher rege genutzt – wenn man die Social-Media-Buttons am Fuß einschaltet, sieht man, dass den derzeit fast 1000 Facebook-Empfehlungen nicht einmal 10 Google+-Empfehlungen gegenüberstehen. Ein Hundertstel des Traffics – da spielt ja selbst Twitter in einer anderen Liga.

Warum wir alle trotzdem dabei bleiben

Ich mag Google+, nicht zuletzt, weil es eben nicht Facebook ist. Und ich weiß, was G+-Fans mir entgegnen werden: Dass G+ noch sehr stark als persönliches Netzwerk funktioniert und nicht als Marketingplattform, ist ein Feature, nicht ein Bug; auch dass Medienhäuser G+ eher stiefmütterlich behandeln, von einigen Ausnahmen abgesehen, muss der Plattform nicht schaden. Wollte Google das ändern, müsste der Konzern nur endlich eine vernünftige API bereitstellen, die Dritten erlaubt, halb- oder vollautomatisch aus ihren Redaktionssystemen zu posten – eine Vorstellung, die eingefleischte Gplusser mit Grausen erfüllt und die ich auch nur insoweit nachvollziehen kann, weil sie mir das Leben erleichtern würde: Ich möchte etwa meinen Kollegen in der Online-Nachrichtenredaktion endlich ein Hootsuite-Dashboard auch mit Google+ einrichten können.

Es bleibt das Prinzip Hoffnung. Der Referrer-Vergleich oben blendete ja die größte Traffic-Quelle völlig aus – die Google-Suche. Über diese Suche kommt immer noch ein Mehrfaches an Nutzern zu den Inhalten; allein die Andeutung, G+ könnte sich darauf positiv auswirken, wird das Netzwerk also am Leben erhalten. Ob das nun sinnvoll ist oder nicht.

Ohnehin stellt sich die Frage, was Nutzer gewonnen haben, wenn sie die gleichen Inhalte wie bei Facebook nochmal bekommen, nur eben auf einer anderen Plattform; das können selbst erbitterte Facebook-Hasser nicht wollen. Selbst die viel beschworene Qualität der Diskussionen bei G+ darf man ja allmählich anzweifeln. Unter dem Strich: Google Plus hat keine Alleinstellungsmerkmale, die es für spezielle Angebote an die Nutzer empfehlen; allenfalls die „Hangouts“, die Videochats vor Publikum (für die man in Deutschland meines Wissens nach eine Sendelizenz bräuchte). Google hat das meiner Ansicht nach erkannt, wirbt bei Medienanbietern massiv für die Hangouts und wird sicher an weiteren Angeboten basteln. Und Konkurrenz belebt das Geschäft – wenn sonst nichts dafür spricht, bei G+ aktiv zu werden oder zu bleiben, dann das.

Übrigens: NDR-Kollege Fiete Stegers hat diesen Kreis mit den Google+-Aktivitäten von ARD und ZDF zusammengestellt.

Kaum versteckte Champions

Kein Alleinstellungsmerkmal, keine Nutzer, kein Traffic – wenn schon die Bilanz für Google+ nicht gut aussieht, ist sie für einen langsamen und fehlerhaltigen Google+-Klon um so schlechter, selbst, wenn er auf einer offenen Plattform basiert: Wer auf Diaspora setzt, muss schon sehr viel Vertrauen in seine Fähigkeit haben, mit Riesen wie Facebook und Google zu konkurrieren – oder sehr viel Optimismus. Also die ABF- (All But Facebook)-Plattformen vergessen? Mitnichten. Auftritt Pinterest und Tumblr.

Versteckte Champions sind Pinterest und Tumblr lange nicht mehr – und ich wage die wenig gewagte Prognosse, dass sich Medienhäuser sehr bald sehr viel intensiver mit beiden beschäftigen müssen: nicht, weil sie so erfolgreich sind, sondern weil dieser Erfolg zeigt, dass sie den Nutzern etwas zu bieten haben – und wir uns Gedanken machen können über völlig neue Angebote an unsere Nutzer. Wer diese Plattformen nutzt, tut das nicht, weil sie ABF sind, sondern weil er/sie etwas davon hat, das Facebook so nicht liefert. Aus Nutzersicht wären neue, spannende Medien-Angebote via Pinterest und Tumblr also ein Gewinn. Und ab und zu mal die Perspektive des Nutzers zu berücksichtigen soll ja auch nicht schaden.

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Kommentare

Eine Antwort zu „Prinzip Hoffnung: Weshalb wir uns mit Google+ herumschlagen“

  1. Was G+ auch noch fehlt: so etwas wie 0.facebook.com für den kostenlosen mobilen Zugang. Das ist nämlich einer der Hauptgründe, wieso viele Mobilfunkkunden Facebook nutzen (damit meine ich nicht die Smartphoneuser). 

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